HEAT startet in den Fahrgastbetrieb
Es ist geschafft! Trotz herausfordernder Rahmenbedingungen durch die Corona-Pandemie erreicht das Forschungs- und Entwicklungsprojekt HEAT (Hamburg Electric Autonomous Transportation) heute seinen nächsten und vielleicht größten Meilenstein. Der Senator für Verkehr und Mobilitätswende, Anjes Tjarks und HOCHBAHN-Vorstandsvorsitzender Henrik Falk eröffneten heute den öffentlichen Probebetrieb mit Fahrgästen und waren die ersten Passagiere an Bord des 5 Meter langen autonom fahrenden Kleinbusses. Das Projekt ist Teil der ITS-Strategie (Intelligent Transport Systems) der Freien und Hansestadt und soll im Rahmen des im nächsten Jahr in Hamburg stattfindenden ITS-Weltkongresses präsentiert werden.
Dr. Anjes Tjarks, Mobilitätswendesenator: „Eine kurze Strecke für den Bus – aber ein richtiger Meilenstein für die Mobilität von Morgen. Mit dem Beginn des Fahrgastbetriebs wird HEAT Teil des smartem Mobilitätsmixes unserer Stadt. Das Projekt zeigt, wie moderne Mobilität in Hamburg und speziell bei der HOCHBAHN gedacht wird. Autonomes Fahren mitten in einem urbanen Umfeld mit Radfahrenden und Fußgänger*innen umzusetzen, ist anspruchsvoll und in dieser Form weltweit einmalig. Das ist eine große Leistung, aber auch ein wichtiger Beitrag, um die Mobilität der Zukunft zu gestalten. Besonders toll finde ich dabei, dass autonomes Fahren durch den Start des Fahrgastbetriebs jetzt auch für die Menschen in Hamburg erlebbar wird. Bis zum ITS-Weltkongress wollen wir beim Autonomen fahren weltweit ganz vorne dabei sein.“
Mit einer Geschwindigkeit von bis zu 25 km/h ist der autonom fahrende Kleinbus in der HafenCity unterwegs. Auf dem rund ein Kilometer langen Abschnitt der Teststrecke operiert das Shuttle neben seiner eigenen Umfeldwahrnehmung auf Basis von zwei weiteren Informationsquellen: Zum einen greift es auf die von Siemens Mobility entwickelte und durch Hamburg Verkehrsanlagen (HHVA) integriert bereitgestellte neuartige Strecken-infrastruktur zu. Der Einsatz zusätzlicher Masten mit Sensoren entlang der Fahrstrecke ist in dieser Form einzigartig, erweitert das Sichtfeld des Shuttles und ermöglicht so die höhere Geschwindigkeit und voraus-schauendes Fahren. Zum anderen nutzt das Fahrzeug die von der Freien und Hansestadt Hamburg zur Verfügung gestellten und auf wenige Zentimeter genaue HD-Karte über die aktuelle Strecke. Im Fahrbetrieb werden alle Informationen aus diesen Quellen übereinandergelegt, um die Position des Fahrzeugs sowie Abweichungen von der optimalen Position genau zu bestimmen.
Die für den Betrieb mit Fahrgästen erforderliche Zulassung hat das Forschungsprojekt nun erhalten. Damit darf erstmalig in Deutschland ein autonomer Kleinbus im öffentlichen, innerstädtischen Straßenraum mit Fahrgästen und einer Geschwindigkeit von bis zu 25 km/h den Betrieb aufnehmen. Ab sofort und bis zunächst Ende November können Hamburgerinnen und Hamburger HEAT selbst erleben. Per App können sie sich für Mitfahrten im autonomen Shuttle registrieren. Für die Mitfahrt ist coronakonform eine Mund-Nase-Bedeckung vorgesehen. Durch die Infektionsschutzmaßnahmen im Zuge der Pandemie können neben dem Fahrzeugbegleiter und einem technischen Support zeitgleich bis zu drei Passagiere im Shuttle mitfahren. Trotz dieser Herausforderungen hat sich das Projektkonsortium mit Erhalt der Zulassung für die Aufnahme eines Fahrgastbetriebes entschieden.
Henrik Falk, Vorstandsvorsitzender der HOCHBAHN: „Wir sind sehr stolz auf diesen Entwicklungssprung. Hamburg wurde durch Bitkom gerade erst zur smartesten Stadt Deutschlands im Bereich Mobilität ausgezeichnet – dazu passt der vernetzte Ansatz von HEAT perfekt. Jetzt, wo wir den Shuttle in Betrieb nehmen können, kommen wir der Idee des Forschungsprojektes einen deutlichen Schritt näher: ein autonomer Kleinbus als neues Angebot dort, wo der Einsatz von großen Fahrzeugen nicht sinnvoll ist – zum Beispiel in Tagesrandlagen und Außenbezirken. Dank der Forschungsarbeit könnte das Realität werden. Wir wissen natürlich, dass der Weg bis dahin noch weit ist – aber es geht voran.“
In der aktuellen Projektphase erhält das Fahrzeug den Fahrauftrag inklusive der zu bedienenden Haltestellen bereits von der HOCHBAHN-Leitstelle. Diese überwacht den Betrieb und kann in Abhängigkeit von der jeweiligen Verkehrssituation dem Fahrzeug entsprechende Fahrbefehle geben. Immer mit an Bord sind zudem einer der vier speziell ausgebildeten Fahrzeugbegleiter der HOCHBAHN sowie ein technischer Support. Für den Fahrgastbetrieb ist der autonom fahrende Shuttlebus außerdem mit einem Informationssystem für Passagiere ausgestattet. Auf zwei Monitoren werden die nächsten Haltestellen mit Ankunftszeiten angezeigt.
Matthias Kratzsch, Geschäftsführer Technik bei IAV: „Als Verantwortliche für die Gesamtfahrzeugentwicklung und die im Shuttle integrierten Technologien für das Autonome Fahren startet für uns Ingenieure nun die wohl spannendste Projektphase: Nach intensiven Tests und Feinabstimmung zwischen Shuttle und straßenseitiger Infrastruktur können Fahrgäste endlich den elektrischen Kleinbus und damit das Autonome Fahren selbst erleben. Wir sind gespannt auf das Feedback der Fahrgäste, das uns helfen wird, das Shuttle für den Einsatz auf der ITS im kommenden Jahr weiter zu optimieren.“
Eine Besonderheit des Projektes HEAT im Vergleich zu anderen autonom fahrenden Fahrzeugen ist die straßenseitige Infrastruktur. Diese liefert zusätzliche Daten über das Geschehen auf der Straße und meldet sie dem Shuttle – unter anderem Informationen zu Fahrzeugen, Radfahrern oder Passanten, die sich außerhalb des Sichtfeldes seiner Sensoren befinden. Dies ist beispielsweise dann besonders relevant, wenn Objekte sich in einer nicht einsehbaren Kreuzung befinden oder von einem größeren Fahrzeug verdeckt werden. Außerdem ermöglicht diese Kommunikation das Passieren von Ampelanlagen ohne eine Aktion des Fahrzeugbegleiters.
Manfred Fuhg, Deutschland-Leiter für Intelligent Traffic Systems, Siemens Mobility: „Gemeinsam mit der Hochbahn und allen Partnern gestalten wir in Hamburg mit Pioniergeist die Zukunft der Mobilität. Heute haben wir einen Meilenstein erreicht: den Start des autonomen und sicheren Shuttlebetriebes mit Fahrgästen im Straßenverkehr. Wir freuen uns, beim wegweisenden HEAT-Projekt dabei zu sein.“
Mit dem Auftakt des Fahrgastbetriebes geht auch die Begleitforschung des DLR in die nächste und entscheidende Phase. Erstmals können Fahrgäste direkt im Umfeld des Fahrerlebnisses befragt werden. Neben der Nutzungserfahrung der Fahrgäste untersucht das DLR auch, wie sich durch den Einsatz selbstfahrender Fahrzeuge im ÖPNV Tätigkeiten auf Seiten des Betreibers verändern, zum Beispiel durch neue Anforderungen an die Arbeit in der Leitstelle.
Prof. Dr.-Ing. Katharina Seifert, Institutsdirektorin DLR, Institut für Verkehrssystemtechnik: „Nutzeranforderungen an Mobilitätslösungen der Zukunft sind ein zentrales Thema unserer Forschung. Der Probebetrieb in HEAT bietet eine großartige Möglichkeit, die Bedürfnisse und Einschätzungen der Menschen zu ergründen, die das Shuttle nutzen. Die Untersuchung der realen Erfahrungen der Fahrgäste ermöglicht es uns, die Anforderungen an die Technik und die Gestaltung des Service zu spezifizieren, um das Nutzungserlebnis zu optimieren.“
Eine der größten Herausforderungen im Forschungsprojekt bleiben die rechtlichen Rahmenbedingungen für das Fahren ohne Fahrzeugbegleiter gemäß SAE Level 4. Autonomes Fahren wird vom geltenden Rechtsrahmen derzeit noch nicht erfasst. Entsprechend umfassend gestalten sich die Prozesse rund um die Genehmigungsverfahren, die maßgeblich von den regulatorischen Vorgaben abhängen.
Matthias Hartwig, IKEM: „Im geltenden Rechtsrahmen ist die Zulassung des HEAT-Shuttles für die Fahrgastbeförderung eine Höchstleistung, die nur dank der der exzellenten Zusammenarbeit mit den Hamburger Behörden erreicht werden konnte. Der nächste Schritt wäre nun, auch höhere Automatisierungsstufen zu erproben. Dazu muss eine Experimentierklausel ins Straßenverkehrsgesetz, die das Fahren ohne Fahrzeugbegleiter ermöglicht und so die technische Entwicklung voranbringt.“
Der Probebetrieb mit Fahrgästen startet in der HafenCity am 23. Oktober und läuft zunächst bis zum 30. November. Interessierte Hamburgerinnen und Hamburger können sich über die aktuellen Betriebszeiten unter www.hochbahn.de/heat informieren. Dort steht auch die HEAT App zum Download zur Verfügung, mit der die kostenfreie Registrierung für eine Mitfahrt erfolgt.
Dass der autonome Kleinbus HEAT seine Testfahrten in der in der HafenCity absolviert, ist kaum Zufall: Der Pioniergeist der HafenCity erstreckt sich längst auch auf Mobilität. In den östlichen Quartieren Baakenhafen und Elbbrücken werden mit einem europaweit innovativen Smart Mobility-Konzept neue Standards gesetzt, die E-Mobilität und Car-Sharing fördern und bereits in der privaten Tiefgarage beginnen. Mit dem ÖPNV ist die HafenCity ohnehin sehr gut erschlossen. Neben S- und U-Bahn sowie Bus bieten sich zahlreiche weitere Mobilitätsoptionen per StadtRAD, Bike & Ride sowie hvv switch-Punkten.
Nach Abschluss des Probefahrgastbetriebes geht das Fahrzeug zur Auswertung und Weiterentwicklung wieder nach Gifhorn, bevor es für die nächste Phase des Forschungsprojektes mit Fahrgastbetrieb im Frühjahr 2021 nach Hamburg zurückkehrt.