U-Bahn100 - Testfahrten für automatisierten Betrieb erfolgreich
Alle 100 Sekunden eine U-Bahn – auf dem Weg zu diesem Ziel hat das von der Hamburger Hochbahn AG (HOCHBAHN) gestartete Projekt U-Bahn100 mit den ersten erfolgreichen Testfahrten einen wichtigen Meilenstein erreicht. Gemeinsam mit den Projektpartnern Alstom und Siemens Mobility präsentierte das Unternehmen die Ergebnisse auf dem Testgleis der HOCHBAHN an der U1-Strecke zwischen Farmsen und Berne: Nach der Abfertigung und dem Schließen der Türen setzt sich der U-Bahn-Zug selbständig in Bewegung, beschleunigt in wenigen Sekunden auf 50 km/h, bevor er nach rund 600 Metern abbremst und ohne weitere Eingriffe durch den Fahrer zum Halt kommt. Was hier schon im Testbetrieb funktioniert, soll in wenigen Jahren in der Realität den Fahrgastkomfort deutlich erhöhen.
Jens-Günter Lang, Technik-Vorstand der HOCHBAHN: „Was auf dem Testgleis nur eine kurze Fahrt ist, wird die Hamburger U-Bahn nachhaltig verändern. Von den deutlich engeren Takten, die mit der Automatisierung möglich sind, profitieren unsere Fahrgäste. Bei einem 5-Minuten-Takt benötige ich als Fahrgast keinen Fahrplan mehr. Ein 100-Sekunden-Takt heißt, dass ich keiner U-Bahn mehr hinterherlaufen muss. Zuerst einsetzen werden wir die Technik auf der U2 und U4, wo wir sehr hohe Fahrgastzahlen haben. Auf dem östlichen Ast wird mit der U4-Verlängerung auf die Horner Geest die Nachfrage nochmals deutlich ansteigen. Wichtig ist mir: Die Zugfahrerinnen und Zugfahrer sind im teilautomatisierten Betrieb auch künftig unverzichtbar. Denn es geht hier nicht um eine Kostenfrage, sondern um eine Verbesserung des Angebots.“
Die Fahrerinnen und Fahrer werden im automatisierten Betrieb weiterhin für den Fahrgastwechsel verantwortlich sein und greifen im Bedarfsfall sein. Die Fahrt selbst wird vollautomatisch und über Rechner gesteuert erfolgen. Nur so ist der 100-Sekunden-Takt möglich. Im heutigen Betrieb liegt der engstmögliche Regeltakt bei 2,5-Minuten. Wo heute rund 20 000 Fahrgäste pro Stunde und Richtung mit der
U-Bahn fahren können, sind es künftig mit der neuen Technik bis zu 30 000. Das bedeutet 50 Prozent mehr Angebotskapazität.
Die technischen Voraussetzungen für den automatisierten Betrieb schafft das Projekt U-Bahn100 der HOCHBAHN. Im Rahmen des Projekts wird die komplette U4 von den Elbbrücken über die Innenstadt und die Horner Rennbahn bis zur Haltestelle Horner Geest, die Ende 2026 in Betrieb geht, automatisiert. Die U2 wird bis 2026 zwischen den Haltestellen Christuskirche und Horner Rennbahn auf- und ausgerüstet. Bis Ende 2029 ist die Verlängerung bis Mümmelmannsberg geplant.
Für den 100-Sekunden-Takt müssen alle sechs Stellwerke entlang der Strecke aufgerüstet werden. Diese Aufgabe übernimmt Siemens Mobility in Abstimmung mit der HOCHBAHN.
Guido Rumpel, Leitung Rail Infrastructure Deutschland, Siemens Mobility: „Mit den erfolgreichen Fahrtests haben wir einen weiteren wichtigen Meilenstein für die Mobilitätswende in Hamburg geschafft. Unsere Technik funktioniert, nun steht die Skalierung an. Mit der Ausrüstung der Strecken und der Erweiterung der Fahrzeugflotte um eine automatische Zugsteuerung legen wir die technische Grundlage für den 100-Sekunden-Takt in Hamburg. Schon seit über 110 Jahren arbeiten Siemens und die Hamburger Hochbahn eng zusammen. Wir sind sehr stolz, mit unseren Innovationen für mehr Streckenkapazität, höchste Verfügbarkeit und weniger Energiebedarf, Hamburgs Führungsrolle für moderne Mobilität in Deutschland weiter auszubauen.“
Siemens Mobility wird die auf den U-Bahnstrecken vorhandenen konventionellen Sicas ECC Stellwerke um die digitale CBTC-Lösung (Communication Based Train Control – CBTC) Trainguard MT erweitern. Zudem stellt das Unternehmen auch die entsprechende Technik für den Einbau in die U-Bahnen. Die funkbasierte Zugsicherung und Zugsteuerung ermöglicht eine kürzere Zugfolgezeit für Bestandssysteme. Trainguard von Siemens Mobility ist das weltweit am häufigsten eingesetzte Zugsteuerungssystem. Es ist bei zahlreichen Betreibern weltweit im Einsatz, so in Paris, Peking, New York, London, Hongkong oder Buenos Aires.
Auch die U-Bahn-Fahrzeuge müssen digital aus- und aufgerüstet werden. Künftig verfügen alle 163 DT5-Fahrzeuge der HOCHBAHN über ein neues System, das die Kommunikation zwischen Fahrzeug- und Streckenausrüstung nutzt. Alstom zeichnet sich für die Integration und Inbetriebsetzung bereitgestellten CBTC-Systems verantwortlich.
Christoph Klaes, Vice President Customer Management bei Alstom: „Sechs U-Bahn-Fahrzeuge sind ready für den automatischen Betrieb. Das Hamburger Projekt U-Bahn100 erreicht einen Meilenstein und Alstom hat mit der erfolgreichen Umrüstung der Metros seine Kompetenz als Systemintegrator unter Beweis gestellt. Hamburg setzt mit der Automatisierung der DT5-U-Bahnen ein Signal für den Nahverkehr der Zukunft. Denn Automatisierung ist der Schlüssel für mehr grüne Mobilität auf der Schiene. Wir sind stolz, bei diesem Projekt dabei zu sein.“
Die Umrüstung der Fahrzeuge wird in zwei Schritten erfolgen. Bis Ende 2023 werden die sechs aufgerüsteten Prototypen getestet und in Betrieb genommen, bevor im kommenden Jahr die Aus- und Aufrüstung der weiteren 157 U-Bahn-Fahrzeuge erfolgt. Die Fahrzeugumrüstung erfolgt am Alstom-Standort in Salzgitter. Die DT4-Fahrzeuge, deren Umrüstung sich wirtschaflich nicht mehr lohnt und die in der Zukunft schrittweise vom DT6 abgelöst werden, kommen auf den automatisierten Strecken deshalb nicht zum Einsatz.
Jan Frederik Bremen, U-Bahn100-Projektleiter der HOCHBAHN: „Wir nutzen in diesem Projekt die Chancen, die uns die Digitalisierung bietet, um das U-Bahn fahren für die Fahrgäste zukünftig noch komfortbaler und attraktiver zu gestalten. Erstmals in Deutschland werden wir mit dem CBTC-System einen variablen Sicherheitsabstand zwischen den Fahrzeugen realisieren. Mit diesem „Moving Block“ schaffen wir die Voraussetzungen für den 100-Sekunden-Takt und einen noch pünktlicheren Betrieb. Für unsere Fahrgäste bedeutet der enge Takt vor allem, dass immer eine U-Bahn bereit steht oder innerhalb von anderthalb Minuten eine neue U-Bahn in die Haltestelle einfährt. Besser geht es nicht.“
Neben der Digitalisierung von Strecke und Schiene, die erst das automatische Fahrten im Modus GoA2 (Grades of Automation) ermöglicht, wird die HOCHBAHN zudem eine komplett neue Zugsicherungstechnologie einsetzen. Im Gegensatz zur heutigen Zugsicherung, bei der nachfolgende U-Bahnen immer in Blöcken mit festgelegtem Abstand hintereinander fahren müssen, schafft das System „Moving Block“ ein System, in dem U-Bahnen miteinander kommunzieren und in einem variablen Sicherheitsabstand fahren können. Das neue System CBTC wird – das zeigen die Erfahrungen auf der Elizabeth Line in London oder der S-Bahn in Kopenhagen – Störungen verringern und einen stabileren und verlässlicheren Betrieb ermöglichen.
Das Investitionsvolumen für das Projekt U-Bahn100, das bis 2029 abgeschlossen sein wird, beträgt rund 200 Millionen Euro. Die HOCHBAHN strebt eine Bundesförderung (GVFG) an.